Grenzerfahrung

Armenien – Siebenunddreißigster Tag, Dienstag 13.05.2025

Langer Morgen

Heute ließen wir es mal wieder langsam angehen. Nach der gestrigen etwas stressigen Einreise mit allem Drum und Dran wollten wir heute nicht hetzen, obwohl die Sonne am bewölkten Himmel stand. Einige LKW fuhren an unserem Wohnmobil vorbei, das wir gestern im Dunkeln auf diese alte Industriebrache gestellt hatten. Jetzt erst sahen wir, wo wir waren.

Ein LKW Fahrer grüßte freundlich, ich grüßte zurück. Schön, wenn man freundlich in einem fremden Land aufgenommen wird.

Erst gegen elf Uhr fuhren wir los, erstes Ziel eine Wasserstelle in einer nahegelegenen Stadt. Dort angekommen sahen wir, dass der Druck zu gering war, also hier ging es nicht. Kaum hatten wir geparkt, kam schon ein Mann zu uns, fragte freundlich, woher wir kämen und war bei dem Wort „Germani“ sehr erfreut.

Wir fuhren weiter durch eigentlich sehr schöne Landschaft, doch die Wolken hingen sehr tief und hüllten die Berge ein.

Wasser konnten wir dann an anderer Stelle aufnehmen und dann ins gar nicht so weite Dörfchen Kirants fahren.

Neue Grenzmauer und deutsche Propaganda

Von Kirants hatten wir gelesen, dass hier nach Beendigung des Krieges zwischen Armenien und Aserbaidschan die Grenze etwas verschoben worden war und nun das Dorf geteilt hätte.

In einem Artikel der FAZ vom 13.11.2024 las sich das wie folgt:

„Eingemauert für den Frieden: Inmitten von grünen Hängen liegt das Dorf Kirants, das durch eine neue Grenzlinie zwischen Armenien und Aserbaidschan geteilt wird. Sie hat nicht nur das Dorf zerrissen, sondern auch das Leben grundlegend erschüttert.“

Die TAZ vom 19.09.24 schreibt dazu:

„Gohar Vardanjan ist nervös. Die 27-Jährige steht am Rande ihres Dorfes, nur wenige Meter vom neuen Grenzzaun entfernt, der Armenien von Aserbaidschan trennt. Ihr Blick fällt auf einen großen Betonbau mit rotem Dach. „Die Schule von Kirants liegt jetzt mitten in der möglichen Schusslinie“, klagt die junge Frau. Geschossen wird zwar nicht, dafür dröhnen Baumaschinen über den Berg. Sie asphaltieren eine neue Straße. Seit die Grenze verlegt wurde, ist die alte Zufahrt zum Dorf nur noch für Anwohnende passierbar.“

Soweit die deutsche Presse hierzu.

Doch was hier so dramatisch und reißerisch in der deutschen Propagandapresse beschrieben wird, sieht vor Ort ganz anders aus. Die neue Grenzmauer teilt das Dorf nicht, sie schneidet lediglich die alte Zufahrtsstraße ab in einem Gebiet, wo ohnehin kein Haus gewesen ist und niemand wohnte. 

Nun hat man stattdessen eine viel kürzere Straße entlang der Grenzmauer gebaut. Kein bisschen wurde das Dorf „zerrissen“ und keines falls das Leben im Dorf „grundlegend erschüttert“.

Das die „Zufahrt zum Dorf nur noch für Anwohnende passierbar“ ist, ist völliger Quatsch, wir konnten ganz normal in das Dorf hinein und wieder heraus fahren.

Man sollte der Presse immer weniger Glauben schenken.

Fähnchen ab

Als wir nach der ausführlichen Besichtigung dieser Grenzmauer zum Wohnmobil zurück kamen, bemerkte ich, dass an unserer Fahrzeugrückwand, an der ich Fähnchenaufkleber aller unserer bisher besuchten Länder angebracht hatte, der Aufkleber mit dem Fähnchen der Türkei fehlte, sauber entfernt.

Das kann nur jemand gemacht haben, während wir auf unsere Versicherungsunterlagen oder die Simkarte an der Grenze gewartet haben.

Armenier und Türken mögen sich nicht und deshalb hatten ich schon darauf verzichtet, das Armenienfähnchen anzubringen, da wir ja noch durch die Türkei zurückfahren müssen. Hätte ich natürlich auch dran denken können, wegen des Aufenthalts in Armenien kein Türkeifähnchen aufzukleben. Man lernt nie aus.

Auf der Suche nach der Grenze

Auf der Landkarte sind in Armenien noch zwei aserbaidschanische Exklaven markiert und wir wollten mal sehen, was es damit auf sich hat. 

Also wenige Kilometer weiter gefahren und durch diese markierte Exklave, doch davon war nichts zu merken. Ist ohnehin nur ein Stück unbebautes Land. Leider findet man dazu auch nichts im Internet.

Die beiden besuchten Ortschaften Azatamut  und Kayan vor und nach der markierten Exklave waren ziemlich heruntergekommen, hier gab es außer einer Bäckerei, in der ich leckeres armenisches Brot erstand nichts weiter. So fuhren wir den gleichen Weg zurück zu unserem heutigen Tagesziel, dem Kloster Haghpat.

Unterwegs konnten wir noch an einigen Stellen einen Blick auf den aserbaidschanischen Grenzzaun werfen, der stark an die ehemaligen DDR Grenzanlagen erinnerte, nur sicherlich ohne Minenstreifen und Selbstschussanlagen. Schließlich will man hier nicht die eigenen Bürger am Weglaufen hindern sondern sich die Armenier vom Leibe halten.

Erstes Kloster in Armenien

Das Kloster Haghpat ist aufgenommen worden in die UNESCO Welterbeliste. Das byzantinische Kloster wurde im 10. Jahrhundert gegründet und stellt die Blütezeit der armenischen religiösen Architektur dar.

Nach einer Besichtigung dieses über 1000 Jahre alten Gemäuers suchten wir ganz in der Nähe einen Übernachtungsplatz und beendeten diesen Tag bei einem heftigen Gewitter.

Gefahrene Kilometer: 161,3 km

Landkarte: Auf an die aserbaidschanische Grenze

 

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ruth

    Soweit geht die Antipathie, dass an Touristenautos Fahnen unliebsamer Länder entfernt werden 🧐 Und zur „Presse“…, damit es gelesen wird, wird übertrieben 🤷🏻‍♀️

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