Traumhaftes Anatolien

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Türkei– Sechzigster Tag, Donnerstag, 05.06.2025

In den Händen des Kuaförs

Kars gilt nicht nur als die Käsestadt der Türkei, hier sollen auch die weltbesten Friseure ihrem Handwerk nachgehen. Schon gestern Abend sahen wir etliche Friseurläden und Barbershops und da meine Haarpracht in der letzten Zeit ziemlich lästig geworden war, beschloss ich, heute morgen in die Stadt zu einem Friseur zu gehen.

Auf dem Weg dorthin schon jede Menge Leben in der Stadt, Schafe wurden verladen, Autos hupten, der Verkehr staute sich in der Hauptstraße. Hier spürte ich Anatolien, wie wir es immer berichtet bekamen. Männer mit dickem Schnauzbart, grauer Anzugjacke und Schiebermütze überall unterwegs und geschäftemachend mit den Viehhändlern. Eine tolle morgendliche Atmosphäre.

Kurz vor dem Barbershop, den ich gestern Abend gesehen hatte und den ich ansteuern wollte ein leeres Kuaför – Geschäft. Warum nicht dort hinein. Die drei anwesenden Männer waren keine Kunden, einer von ihren musste erstmal den Geschäftsinhaber und Friseur anrufen, derweil konnte ich schon mal Platz nehmen auf einem der völlig abgewetzten Lederstühle.

Dann kam der Meister, legte mir den Kittel um und begann sofort, erstmal die Nasenhaare zu rasieren und dann mit einer Spiralfeder die auf meiner Nase spießenden Härchen auszureißen. Tat etwas weh, muss man aber wohl aushalten.

Frisiert wurde sehr gut, die Ohrenhaare kamen auch noch weg, nach nicht mal 30 Minuten war ich fertig. 200 türkische Lira hatte ich zu zahlen, gerade mal 4,40€. Bei uns zu Hause zahle ich bei einem türkischen Friseur das Sechsfache. Allerdings sind es da auch hübsche Mädels, die mich frisieren.

Kars im Hintergrund die Burg

Markt in Kars

Zurück am Wagen machte Beate sich fertig und wir gingen zu zweit erneut in die Stadt, diesmal über den Basar. Wir lieben solche türkischen Basare, das Getümmel und die vielen unterschiedlichen Waren und angebotenen Dienstleistungen sind einfach herrlich. Auf dem Werkzeugmarkt waren verschiedene Messerschleifer tätig und da wir auch noch zwei stumpfe Messer in der Schublade hatten, gingen wir zurück zum Wohnmobil, holten diese und kehrten zum Basar zurück.

Einem der Messerschleifer übergaben wir unsere Schneidgeräte und im Nu waren sie wieder das, was sie sein sollten, messerscharf. Auch mein Taschenmesser bekam endlich seine Schärfe zurück, und das alles für umgerechnet 1,80€

Wir kauften noch etwas für das heutige Abendessen ein, sechs Hähnchenkeulen für ebenfalls nur 1,80€, dazu reichlich Bier und waren dann um halb eins abfahrbereit.

Ruinenstadt Ani

Es ging ca.46 Kilometer hinaus aus der Stadt in östlicher Richtung zur Ausgrabungsstätte in Ani direkt an der armenischen Grenze. Die Stadt war mal Hauptstadt Armeniens, doch ständige Kriege und Erbeben zerstörten sie derart, dass heute niemand mehr dort wohnt und außer ein paar Kirchenruinen und Teile der alten Stadtmauer nichts mehr dort steht.

Das Gebiet ist sehr weitläufig, so wie eine große Stadt eben war, und es brauchte Zeit, bis wir zu allen Kirchen- und Moscheeruinen gelaufen waren. Dazu war es recht heiß.

Irgendwie tut sich nichts mehr auf dem archäologischen Gelände, seitdem der Leiter der Ausgrabungen 2024 vom türkischen Regime festgenommen worden ist. Die große Kathedrale, die ca. 80 Jahre nach ihrer Errichtung in eine muslimische Moschee umgewandelt wurde, steht eingerüstet da und verfällt unter dem Gerüst. So ergeht es auch den anderen Ruinen, außer der Moschee mit hohem Minarett, die wird auch heute noch als solche genutzt. Die uralten Freskenmalerei in der kleineren Kirche werden zerkratzt und beschmiert.

Fazit unseres Besuchs: er war den relativ hohen Eintritt nicht wert, die gesamte Anlage ungepflegt, Müll türmt sich und Kirchen dieser Art sahen wir in Armenien zuhauf und in besserem Zustand. Ani kann man getrost auslassen und sich das Geld sparen. In Ani haben wir nichts gesehen, was wir nicht schon in Armenien und Georgien zu sehen bekommen haben

Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings, das die archäologischen Ausgrabungen und Restaurierungen in Zusammenarbeit und mit Geldern der EU durchgeführt wurden. Wofür die EU alles Geld hinauswirft, es ist unglaublich, wo die Türkei doch gar nicht EU-Mitglied ist und sich die olle Merkel auch immer dagegen ausgesprochen hat. Aber unsere Gelder dort hineinbuttern!

Weiter nach Süden

Wir verließen Ani und drehten kurze Zeit später nach Süden Richtung Igdir ab. Hier kamen wir in in das tiefste Ostanatolien, allerdings ging es auf hervorragenden vierspurigen Straßen durchs Land. Weitläufig ist es, sanfte, saftig grüne Hügel links und rechts der Straße, Einsamkeit.

Ich bog ab auf ein kleines Seitensträßchen, um die Koordinaten für unseren nächtlichen Stellplatz einzugeben und Beate meinte, auf dieser Straße kämen wir auch dahin, müssen nicht nur die Hauptstraße entlang rasen.

Doch diese anfangs recht gute Straße wurde leider immer schlechter, irgendwann nur noch ein Feldweg, auf dem uns Massen von Kühen entgegen kamen. Die Kuhhirten ließen sich ihre Habe von Eseln transportieren und trieben die Kühe mit Stöcken voran, gegen die Sonne geschützt mit einem Regenschirm.

Der Weg wurde immer schlechter, doch umkehren und wieder durch diese Kuhherden fahren kam für mich nicht infrage. Haarig wurde es, als es bergauf ging und der Weg ausgewaschen und voller Geröll war. Hier hieß es mit Schwung hoch, was einiges im Wohnmobil durcheinander wirbelte.

Schließlich schafften wir es nach über sieben Kilometern auf dieser eigentlich nur für Geländewagen geeigneten Strecke ein Dorf zu erreichen. Leider hatten wir auf der ganzen Fahrt bisher noch keine Wasserstelle gefunden und Beate hatte nichts mehr zu trinken. So fuhr ich in das Dorf hinein mit der Hoffnung auf einen Brunnen oder einen Markt, doch nichts davon gab es.

An der Ausfahrt vom Dorf drehte ich in einer Einfahrt um und eine Frau sah uns. Irgendetwas erwartete sie nun, und als Beate mit ihrer Flasche ausstieg, um sie um etwas Wasser zu fragen, bot sie sofort in voller Herzlichkeit an, die Flasche aus dem Tank zu füllen. Sodann bekam Beate sogar noch zwei Fläschchen Mineralwasser geschenkt, wurde gedrückt und verabschiedete sich in tiefster Dankbarkeit. 

Die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen hier ist einfach überwältigend. Wer uns sieht, winkt, grüßt oder versucht ein kleines Gespräch, wenn es möglich ist. Fahren wir in Dörfern an Menschen vorbei, grüßen oder winken wir und es wird erwidert. Schon nach zwei Tagen haben wir das Land ins Herz geschlossen.

Unerwarteter Besuch

Beate hatte einen guten Nächtigungsplatz aufgesucht am Rande schöner Hügel, die wir gegen 18:00 Uhr erreichten. Noch stand die Sonne hoch, doch schon bald verschwand sie hinter den Bergen.

Wir bereiteten unser Abendessen vor, die Hähnchenschenkel kamen auf den Grill, da sahen wir Lichter zweier Autos auf uns zu kommen. Wer wird das wohl sein? Die Wagen stoppten bei unserem Wohnmobil und es stiegen drei Männer aus. Einer brachte eine Tüte mit grünen, unreifen Aprikosen, wie wir sie auch schon auf dem Markt gesehen haben. 

Dann begannen sie ein Gespräch mit uns, was sich schwierig gestaltete, da es nur mit dem Google Übersetzer ging, doch einer der Männer rief einen Verwandten in Hamburg an, der gut deutsch konnte und über den wir per Telefon eine kleine, sehr nette Konversation mit den Männern hatten.

Ich holte drei Fläschchen Kräuterlikör aus unseren Vorrat, wir bekamen noch ein Päckchen Kaffee geschenkt, dann verabschiedete man sich mit Handschlag.

Eine unglaublich nette, herzliche Begegnung mit diesen drei türkischen Männern, wie wir sie nicht erwartet hatten, es aber wohl in Zukunft müssen, die Leute hier sind unglaublich freundlich und wir als Deutsche sind auch in der Türkei sehr willkommen.

Ein toller Tag in Anatolien neigte sich dem Ende zu.

Gefahrene Kilometer: 132,2 km

Landkarte: Von Sars über Ani und weiter

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