Besuch im Land, das es gar nicht gibt – Transnistrien

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Vierzigster Tag - Sonntag, 12.09.2021

Basar in Chisinau

Wie hatten um 14:00 Uhr eine Verabredung mit einem jungen Mann aus Tiraspol, der uns bei den Grenzformalitäten an der moldauisch-transnistrischen Grenze helfen wollte.

Die Zeit bis dahin nutzten wir in Chisinau, um den dortigen Basar zu besuchen.
Ein enges Quartier, in dem ein Verkaufsstand nach dem anderen steht, vieles zum Anziehen zu kaufen ist, elektronische Geräte, Töpfe, Pfannen, alles für den Haushalt, Süßigkeiten und alles, was man zum täglichen Leben braucht.

In einer Halle gab es nur Käse, meistens den weißen, manchmal trockenen, manchmal weicheren und kräftigeren Käse, eine Art Hirtenkäse, aber sicher nicht alle aus Schafs- oder Ziegenmilch. Überall bekam man ein Stück abgeschnitten und konnte probieren. Wir kauften zwei Stücke Käse, einmal einen solchen weißen Weichkäse und einen halbfesten Schnittkäse aus Belarus, dazu einen großen Batzen guter Butter.

Die Halle sah toll aus, überall diese blauen Zeigerwagen, wie sie ganz früher auch in deutschen Geschäften standen, die Marktfrauen mit Spitzenhäubchen. Die Käsehalle war für mich das Paradies, aber wir konnten ja nicht soviel Käse mitnehmen wie ich es gern getan hätte.

 
 
Basareingang in Chisinau
Eingang zum Basar
Markthalle Chisenau
Käsehalle
Käsehalle
Käsehalle
Stefans Paradies

Dann ging es weiter durch die Fischhalle, hier waren Karpfen, Welse und andere Fische in kleine Becken gezwängt, wo sie kaum Raum zum Schwimmen hatten. Keine artgerechte Tierhaltung, aber in anderen Ländern muss man das akzeptieren.

Fischhalle
Kein Platz zum Schwimmen
Welse

Wir gingen noch durch die Gemüsehalle, dann zurück zum Auto. Zum ausgemachten Treffpunkt an der Grenze bei Bender war es knapp eine Stunde Fahrzeit. Auf ziemlich rütteliger Straße ging es am Flughafen Chisinau vorbei, bis wir den Grenzkontrollpunkt erreicht hatten.

Ich hatte im Reiseführer gelesen, dass es gar nicht einfach sei, mit dem eigenen Auto nach Transnistrien zu fahren, sodass ich froh war, auf Hilfe hoffen zu können. Kaum hatten wir geparkt und uns auf 30 Minuten Wartezeit eingestellt – wir waren bereits 13:30 Uhr am vereinbarten Ort, klopfte es schon an die Scheibe, unser Ansprechpartner, Andrej Smolensky, war schon da.

Er kann sehr gut deutsch und unterhält in Tiraspol eine kleine Reiseagentur, die die verschiedensten Touren durch sein Land anbietet. Sogleich gingen wir mit ihm zur Anmeldung, man bekommt eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt, in unserem Fall für fünf Tage, dann weiter zum Zoll, hier waren 65 Lei als Maut zu entrichten, ca. 2,30 €.

Deutsche Helfer

Wir fuhren gerade unser Wohnmobil vor zum Zollhäuschen, da fragte uns eine Frau auf deutsch, ob sie uns behilflich sein könnte. Wir dankten, hatten ja jemanden. Am Zollhäuschen, man muss hier etwas warten, bis die Mautbescheinigung ausgestellt ist, kam die Frau zusammen mit ihrem Mann wieder zu uns und wir sprachen miteinander.

Sie ist Vorsitzende des Bessarabienvereins, der die deutsche Minderheit in der Ukraine und Moldau vertritt. Spontan lud sie uns ein, mit ihnen zu Freunden zum Schaschlikessen zu kommen und später noch eine Stadtrundfahrt zu machen. Das hörte sich gut an, wir sagten spontan zu.
Zunächst fuhren wir mit unserem transnistrischen Begleiter zum Großparklatz beim Stadium, dann mit den neuen Bekannten, der Mann stammt aus Tiraspol, zu deren Freunden zum Essen.

Russische Gastfreundschaft
Reich gedeckter Tisch
Was hatten wir für einen Spaß

Russisches Festmahl

Wie so üblich in russischen Familien wird für Gäste immer unheimlich viel aufgetischt. So auch hier, die Tafel war mit eingelegten Paprikas, gefüllter Paprika, Auberginenhäppchen, Gurkenstreifen, Tomatenscheiben und den unterschiedlichsten Soßen üppig eingedeckt.

Dazu gab es selbst gekelterten Rotwein, sehr lecker, Bier, Wasser, Cola und Cognac der in Tiraspol ansässigen Firma Kvint.

Dann kam das Fleisch, bergeweise an unzähligen Spießen. Als guter Gast sollte man von allem probieren und soviel wie möglich in sich hineinstopfen. Immer wieder wurde das Glas mit Wein nachgefüllt, immer wieder stießen wir an, auf die deutsch-transnistrische Freundschaft. Da unsere neuen Bekannten recht gut deutsch sprachen, ihren Freunden dann übersetzten, hatten wir uns viel zu erzählen.

Die Russen essen viel und langsam. Nach einer kurzen Pause dann Nachtisch, Vanilleeis mit eingelegten Kirschen, natürlich viel. Gegen halb sieben dann waren wir nach annähernd vier Stunden essen fertig.

Der Hausherr brachte mir mit Bienenschutzhaube über dem Kopf ein komplettes Wabengestell mit Bienenwaben, in denen es sogar noch etwas summte. Ein Gastgeschenk an die neuen deutschen Freunde. Da muss ich erst mal nach Rückkehr zum Stettener Hobbyimker, um zu sehen, was man damit machen kann. Muss ja irgendwie der Honig rausgeschleudert werden.

Russische Gastfreundschaft

Festung Bender

Nun waren alle zum Platzen satt und bis auf den Fahrer auch nicht mehr ganz nüchtern. Ein abendlicher Ausflug ins nahe Bender zu Festung war geplant, also alle in den VW – Bus und los.
Man muss immer bedenken, dass es hier schon kurz vor acht Uhr dunkel wird, also Beeilung.
Wir erreichten die Festung noch bei Helligkeit, unsere russischen Begleiter schafften es, einen Wärter am Eingang zu überreden, uns noch schnell ohne Zahlung hereinzulassen, damit wir sehen konnten, wo dereinst Freiherr von Münchhausen als Kommandeur der russischen Truppen im Krieg gegen die Türken seinen Dienst versah. Hier hatte er auch die Idee zu seiner Lügengeschichte mit dem Ritt auf der Kanonenkugel.

Natürlich ist in einer Ecke der Festung eine riesige Kanonenkugel aufgestellt, darauf ein Sattel, sodass man schöne Fotos dieses nachgestellten Höllenrittes machen kann.
Inzwischen war es dunkel geworden, eine längere Dämmerungsphase gibt es hier nicht, also hieß es den Heimweg antreten.

Stefan
Stefan als Baron Münchhausen

Flucht aus dem Wohnmobil

Beate hatte die Idee, unsere neuen Bekannten zum Abschluss des Tages in unser Wohnmobil zu einem Absacker einzuladen.
Schon an der Eingangspforte zum Parkplatz entstanden Diskussionen, die wir natürlich nicht verstanden. Im Wohnmobil dann erst mal Besichtigung, das eine russische Ehepaar hatte noch nie ein Wohnmobil von innen gesehen. Wir tischten Bier, Wasser und Likör auf und dann hieß es, laut Auskunft des Parkwächters und seines Chefs dürften wir hier nicht im Fahrzeug übernachten.

Naja, ist doch eigentlich egal, ob das Fahrzeug leer auf dem Parkplatz steht oder mit Leuten drin. Also verdunkelten wir alles, nachdem wir unsere Gäste verabschiedet hatten und machten uns bettfertig.

Das Fernsehprogramm lief, als es plötzlich klopfte. Beate schaute hinaus, unser Führer Andrej stand draußen mit dem Parkwächter. Man hätte ihn angerufen, wir dürfen nicht im Fahrzeug übernachten. Aber Andrej machte gleich zwei Vorschläge, er könne uns entweder in ein Hotel bringen oder aber zu sich in seine derzeit leerstehende Zweitwohnung, nicht weit weg von unserem Wohnmobil.

Diese Alternative erschien uns praktikabel, also in aller Eile angezogen, Bettzeug zusammengerafft, Wohnmobil verschlossen und mit Andrej nur 500 Meter weiter zu seiner Wohnung gefahren. Sie liegt im fünften Stock eines alten russischen Mietshauses, war selbst aber gut in Schuss. Er wies uns eine Schlafcouch zu, wir richteten das Nachtlager ein und legten uns nach den wichtigsten Instruktionen für morgen zum Schlafen nieder.

Was war das für ein Tag, aufregend, erlebnisreich und anstrengend. Aber auch ein besonderer Tag, wir waren in einem Land, dass es als anerkanntes Staatsgebilde gar nicht gibt.

Gefahrene Kilometer: 82

Landkarte: Von Chisinau nach Transnistrien

Chisinau
Chisinau​ Projekt von Tatiana Vorsitzende Deutsches Haus "Hoffnung" in Moldava

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Andrea & Peter

    Boa ! Wahnsinn ! Das sind ja unglaublich beeindruckende Erlebnisse. Die entschädigen für all die Strapazen der Tage zuvor.
    Viele liebe Grüße
    A & P

    1. Beate

      Hallo,
      ja das war super besonders dass wir von Einheimischen eingeladen worden sind.
      Grüße
      Beate

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