Georgien - Vierundzwanzigster Tag, Mittwoch 30.04.2025
Bergbaustadt von oben
Leider heute morgen wieder der bekannte graue Himmel. Aber der soll uns nicht abhalten von unseren weiteren Besuchen. Wir verließen den erhabenen Nächtigungsplatz über der Stadt und fuhren wieder hinunter, nur um auf der anderen Seite über eine weit in das Tal hineinführende Straße den Aussichtspunkt oberhalb von Chiatura zu erreichen.
Die hier oben wehende große georgische Fahne hatten wir schon gestern von unten sehen können. Von hier oben hatte man eine wunderschöne Aussicht auf die tief unten liegende Stadt. Man sah sehr schön die vier noch aktiven Seilbahnen, die vom Talgrund aus jeweils verschiedene Wohnbereiche rechts und links an den Berghängen bedienten.
Leider fing es leicht an zu regnen, doch im Westen zeigten sich erste blaue Flecken am Himmel. Es könnte also besser werden.
Hinaus auf's Land
Es ging weiter ostwärts durch das Tal, an dessen Hängen man noch alte, verlassene Bergbauanlagen sah und still vor sich hin rostende Kabinen der einstigen „fliegenden Särge“, wie man die Seilbahnkabinen früher genannt hatte.
Man fährt in Georgien selten durch völlig unbebautes Gebiet, irgendwo sieht man immer Häuser oder Höfe, Tiere befinden sich stets auf oder neben der Straße. Das Land ist sehr stark zersiedelt.
Wir legten einen Tankstopp ein. Der günstigste Diesel kostet hier etwas über 80 Cent der Liter, da macht es richtig Spaß vollzutanken. Die Sonne zeigte sich immer mehr und strahlte bei unserer Einfahrt in die Stadt Gori.
Hier steuerten wir direkt auf das in der Stadtmitte liegende Museum zu, das meistbesuchte in ganz Georgien. Ein palastähnlicher Bau im leicht orientalischen Stil mit Turm. Es ist das Stalinmuseum, denn der frühere sowjetische Diktator ist in Gori geboren worden und hat hier wahrscheinlich auch die Rücksichtslosigkeit und Gewalt erfahren, die er später an seinem Volk gnadenlos auslebte. Gori galt im 19. Jahrhundert als gewalttätigste Stadt Georgiens.
Huldigung eines Diktators
Natürlich besuchte ich das Museum, Beate hatte dazu keine Lust. Vor dem Hauptgebäude ist der 83 Tonnen schwere, gepanzerte Eisenbahnwaggon Stalins aufgestellt, mit dem er zumindest 1943 zur Konferenz nach Jalta gefahren ist. Man kann ihn von innen besichtigen, leider ist alles Gestühl und jedes Sitzpolster mit grauen Hussen und Bezügen abgedeckt, was nicht sehr schön aussieht.
Im Park vor dem Museum befindet sich auch das hierher verfrachtete angebliche Geburtshaus Stalins, überbaut mit einem tempelartigen Gebäude, was den etwas sakralen Charakter dieses Ausstellungsstücks noch hervorhebt.
Das Museum selber huldigt in seinen Räumen mit Bildern und Dokumenten aus allen Lebensabschnitten den „Woshd“, wie Josef Wissarionowitsch Dschugaschvili in seinen frühen Revolutionsjahren genannt wurde, eher er sich später seinen Kampfnahmen „Stalin“ zulegte.
Etliche Gruppen ließen sich von Museumsführern alles ausführlich erklären, ich ging etwas schneller durch, wollte ich ja auch Beate nicht allzu lange allein lassen.
In einem Raum wie ein Kronjuwel ausgestellt die Totenmaske Stalins. In einem Anderen sein Arbeitsplatz mit Schreibtisch und Telefonen, wir er im Kreml in Moskau ausgesehen hat.
Das Museum wurde 1957 eingerichtet und ist seitdem nicht verändert worden. Man huldigt hier immer noch einem Tyrannen, der letztlich schlimmer gewütet hat als Hitler und über 35 Millionen seiner Landsleute ermorden oder verhungern ließ, auch in seiner Heimat Georgien. Dennoch lehnen ihn 45% der Georgier nicht ab.
Selbst der große zentrale Platz vor dem Rathaus heißt weiterhin Stalinplatz.
In Deutschland undenkbar, wir würden am liebsten die Geschichte umschreiben, jeden Namen, der nur im entferntesten etwas mit dem Nationalsozialismus zu tun hat tilgen und Hitler ungeschehen machen oder aber ständig nur in Büßerhaltung herumlaufen ob dieses Diktators. In anderen Ländern, so hatten wir es auch letztes Jahr in der Mongolei erfahren, geht man mit der eigenen Geschichte, und sei sie noch so grausam, ganz anders, ja „normal“ um.
Wir Deutschen wollen die Retter der Welt sein aber auch die Sünder dieser Welt.
Hoch auf die Festung

Nachdem ich Beate wiedergetroffen hatte, bestiegen wir noch den mitten in der Stadt liegenden Hügel der alten Festung Goristsikhe. Von hier oben hatte man eine wunderschöne Aussicht über die ganze Stadt und die herrliche Bergwelt. Die Festung selbst besteht nur noch aus den z.T. zerstörten Außenmauern, sonst ist nichts Sehenswertes darin, nur ein Grashügel.
Somit kehrten wir ihr bald den Rücken, durchstreiften noch etwas die Altstadtgassen, kauften Käse auf dem Markt und Fleisch beim Metzger und gingen dann zum Wohnmobil zurück.
Richtung Höhlenstadt
Ganz in der Nähe von Gori liegt die antike Höhlenstadt Uplistsikhe, die unser nächstes Besuchsziel wurde, bzw. aufgrund der fortgeschritten Zeit erst am Folgetag werden sollte.
Wir parkten in der Nähe des Eingangs und spazierten dann noch zu einem Lokal, das wir auf der Fahrt hierher gesehen hatten und das mit einem großen Schild „Free Wine“ warb. Das durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
Wir wurden satt für nicht mal sieben Euro pro Person, essen gehen in Georgien ist sehr preiswert.
Gefahrene Kilometer: 136,5 km
Landkarte: Bergbaustadt zur Höhlenstadt
Wieder mal was gelernt, wusste weder, dass Stalin gebürtiger Georgier war, noch, dass „Stalin“ nur sein Kampfname war und er eigentlich einen anderen Namen hatte 🧐😊